Klamms Krieg

von Kai Hensel

Stück

Ausgangspunkt des Stückes ist ein Schulkonflikt: Ein Schüler fällt durch das Abitur und bringt sich daraufhin um. Deutschlehrer Klamm gab Sascha statt der notwendigen sechs nur fünf Punkte.

Die Schüler seines neuen Leistungskurses machen ihn für den Selbstmord verantwortlich. Sie erklären ihrem Lehrer den Krieg. Schriftlich. Öffentlich. Sie verweigern den Unterricht und verlangen eine Entschuldigung, was für Klamm einem Eingeständnis an einer Mitschuld gleich käme. "Ich mich, bei der gesamten Schülerschaft für Saschas Tod entschuldigen? Das ist der Aberwitz. Wofür?"
Getrieben von seinem Berufsethos, zwischen Hass und Verzweiflung, nimmt Klamm den Kampf gegen die schweigende Klasse auf. Er kämpft mit allen Waffen, die ihm zur Verfügung stehen: Bestechungen, Beurteilungen, Noten und einer Browning... Mal spricht Klamm seine Schüler direkt an, mal reflektiert er die Dinge allein, was einen ungeschminkten Einblick in die Psyche dieser Figur erlaubt: Nicht nur der offen ausgetragene Krieg mit seinen Schülern bringt Klamms pädagogischen Eros an den Rand einer Hybris, sondern auch der kalte Krieg mit der Institution Schule.

Kai Hensels Stück geht es in der Ausarbeitung seines Themas nicht um die Beantwortung der Schuldfrage von Saschas Selbstmord. Sie ist zwar Auslöser des Stückes, bleibt aber letztlich immer nur Vehikel der Handlung. Vielmehr interessiert den Autor die Sozietät des Tatorts, die Abhängigkeiten und Zwänge zwischen Schülern und Lehrern im Schulalltag, in dem Saschas Selbstmord möglich wurde. Mal sind es die Argumente des Lehrers, der die Sympathien des Autors gehören -

 

Presse

"Mustafas Spiel ist brillant, das komplette Gestenrepertoire und die Kniffe autoritärer Rhetorik setzt er mit perfektem Timing ein. Einschmeichelnd und drohend fällt er von einer rhetorischen Figur in die nächste, mal wird er vertraulich, dann wieder zeigt er der Klasse, wer die Herrschaft hat. Durch das Schweigen der Schüler wird sein Sprechen jedoch zu einer verzweifelten Spiegelfechterei, dieser Mann rechnet mit sich und der Schule ab, bis kein Stein mehr auf dem anderen bleibt. Andreas Kunz, Peter M. Mustafa und die Dramaturgin Rosi Ulrich präsentieren eine eindrucksvolle Inszenierung, eine Lehrstunde in Demagogie und psychologischer Kriegführung."Kölnische Rundschau, 21. April 2005

"Kaum hat man sich hingesetzt, steckt man in der Falle. Wegschauen geht nicht, hinschauen auch nicht so recht. Kai Hensels Stück 'Klamms Krieg' packt den Zuschauer am Wickel der eigenen Schulvergangenheit. In dem Monolog schlüpft ein Schauspieler in die Rolle des Lehrers und prompt stellen sich die alt vertrauten Reflexe ein. Peter M. Mustafa zeiht in der Inszenierung des theater-51grad.com dann auch alle Register berufsständischer Typologie. ... Doch Kai Hensels Stück tritt nicht ein in eine aktuelle Debatte um Autorität, Erziehungsdefizite oder Leistungsdruck, sondern betreibt umgekehrt die Demontage seiner Hauptfigur. Klamm hat Dossiers über jeden angelegt, er ist ein Einsamer, mit allen im Konflikt, auch mit Kollegen, ein Säufer zudem. ... Gesten der Verzweiflung, die absehbar ihren Endpunkt in Klamms Demission finden." Choices, April 2005

"Alle Erwartungen erfüllt hat die ZONALE/05, die nach zwei üppigen Wochen mit Theateraufführungen, Konzerten, Ausstellungen und Installationen endete. Highlights waren u.a. die Theater-Premiere: Klamms Krieg von theater-51grad.com wurde in drei ausverkauften Vorführungen von einem gebannten Publikum verfolgt und ist im April wieder zu sehen." ZDFtheaterkanal, 29. März 2005

Video

Fotos

Textauszug

"Sascha war mein Schüler, richtig. Deutsch Leistungskurs, ein Jahr über Ihnen, der Abiturjahrgang. Ein schlechter Schüler! Er hat nichts von Schillers Freiheitsbegriff verstanden, gar nichts! Trotzdem habe ich ihm für das letzte Semester fünf Punkte gegeben. Ich habe sie ihm gegeben aus Anerkennung - für sein Bemühen, seine redliche, wenn auch fruchtlose Anstrengung. Aber ich habe mit mir gerungen! Eigentlich wollte ich ihm nur vier Punkte geben. Und obwohl ich wusste - die Kollegen hatten es mir noch mal gesagt -, dass sechs Punkte nötig gewesen wären, um ihn das Abitur bestehen zu lassen, habe ich mir die Entscheidung nicht leicht gemacht."

"Ich betrete das Lehrerzimmer. Diplomatisches Parkett, ich grüße meine Kollegen, wünsche einen Guten Morgen, und meine Kollegen grüßen zurück. Ich nehme mir eine Tasse Kaffe und scherze mit der Referendarin. Doch als ich zu meinem Platz gehe, rücken meine Kollegen weg; nicht viel, nur ein bisschen, als ob ich schlecht rieche oder eine Krankheit habe. Ich mache mir den Spaß und rücke ihnen nach, auch nur ein bisschen, als ob's Zufall wäre. Und das Lustige: Sie reden immer weiter, verstehen Sie? Tun, als wäre diese Hin- und Herrückerei das Selbstverständlichste der Welt."

 

Mit:
Peter M. Mustafa

Leitung:
Andreas Kunz,
Peter M. Mustafa

Dramaturgie:
Rosi Ulrich

Premiere 11.3.2005

Eingeladen auf das Festival Spielarten NRW 2005