DEUTSCHE ERSTAUFFÜHRUNG

Yard Girl

von Rebecca Prichard - 2. Preis der Heidelberger Theatertage 2002

 

Stück

Boo und Marie sind zwei Yard Girls, junge Mädchen jamaikanischer Herkunft, die als Strassen-Kids im Londoner East End leben. Sie sind am Ende ihrer Geschichte, blicken zurück und erzählen, direkt und krass: Wie sie in einer Girls-Gang durch London ziehen, Jungs aufreissen und cool abblitzen lassen. Wie sie in ihrer Stammdisco abtanzen, sich mit anderen Cliquen Prügeleien liefern, Nächte auf dem Polizeirevier verbringen und jede Menge Spass haben.
Wie Marie erfährt, dass sie von irgendwem schwanger ist. Wie Boo und Marie den Überblick verlieren und Marie Scheisse baut. Vor allem erzählen sie von ihrer Freundschaft, die sie die schlimmsten Krisen überstehen lässt, die sei am Leben hält - und die dennoch nicht unzerstörbar ist.
Yard Girl ist ein Stück über verpasste Chancen und zerbrochene Träume, voll Überlebenswillen und pulsierender Energie. In einer Rap-ähnlichen "Poesie der Strasse" spielen sich Marie und Boo die Sätze zu wie Basketbälle, und doch erscheinen hinter der toughen Fassade zwei sehr verletzliche Menschen.

Rebecca Prichard, 1971 geboren, studierte Drama an der University of Exeter. Ihre vorherigen Stücke, Essex Girls (1994), It Could Be You (1995) und Fair Game (1997) sind ebenfalls am Londoner Royal Court Theater uraufgeführt worden. Yard Girl entstand in Zusammenarbeit mit der "Clean Break Theatre Company", einer Theatergruppe für weibliche Straffällige und Ex-Häftlinge. Es wurde am 5.7.1998 in der Regie von Gemma Bodinetz am Royal Court uraufgeführt.

Presse

"Regisseurin Susanna Enk bringt ein Drama auf die Bühne, das durch Authentizität für sich einnimmt. Auf Bühne und Kulisse wird verzichtet. Katrin Brockmann und Agnes Lampkin agieren zwischen den nackten Betonwänden des Deutzer Gebäudes 9 und schaffen Atmosphäre durch coole Sprache und lässige Gesten. Rappend und prahlerisch demonstrieren sie Stärke und wirken doch hilflos. Spannung entsteht ... dadurch, wie sich die Figuren allmählich öffnen und hinter die verhärteten Fassaden blicken lassen. Dabei gelingt den beiden Darstellerinnen ein differenziertes Bild psychischer Deformation, wenn sie Charaktere zeigen, die beständig zwischen Aggression und Hilflosigkeit, Trauer und Hysterie, Albernheit und Enttäuschung schwanken." Kölner Stadt-Anzeiger, 29. September 2004

"Was Susanna Enks Regiearbeit auszeichnet ist, dass sie auf eine Verrümpelung der Bühne verzichtet; der Keller, der in seinem rustikalen Charme sonst einer Nürtinger Steinofenbäckerei gleicht, wird zur brutal ausgeleuchteten Gefängnishöhle, in der sich zwei Mädchen mit Erinne-rungen anstacheln, deren immer provokantere Spitzen sie wie schartige Messerschneiden selbst verwunden. Großartig, wie da zwei versuchen die Entdeckung ihrer Verletzbarkeit zu überspielen: Katrin Brockmann, indem sie Marie vulgär-überempfindlich reagieren lässt, Agnes Lampkin, indem sie Boo Momente einer tatsächlich einschüchternd bedrohlichen Barschheit gibt. Es ist ein Spiel von beeindruckender Intensität." Souffleuse, Heidelberg Januar 2003

"Was hat "Yard Girl" also Besonderes, dass sich Teenies, Eltern und Großeltern gleichermaßen angezogen fühlen? Vielleicht ist es dieser unmittelbare Einblick in ein Leben am solzialen Abgrund, das in der direkten, unverblümten, drastischen Sprache erzählt wird, die den so genannten "jungen Wilden" unter den englischen Autoren eigen ist.
...Agnes Lampkin (Boo) und Katrin Brockmann (Marie) spielen nicht, sondern sind auf der fast leeren, trist aussehenden Zimmertheater-Bühne die beiden Yard-Girls... Die Körpersprache der beiden ist perfekt und macht die kleinen Unterschiede zwischen ihnen deutlich. Marie ist mädchenhaft, hippelig, wirkt zart, lässt es nicht ungern auf Streit ankommen und verliert, wenn sie zugedröhnt ist, die Kontrolle.
Boo ist die Stärkere, fühlt sich als Beschützerin, hat fast männliche Attitüden, kann ihr Temperament kaum im Zaum halten, ist aber, was ihre Freundschaft betrifft, dünnhäutiger - und sucht wohl genau deshalb nach einem eigenen Weg. Brockmanns und Lampkins Zusammenspiel hält die Zuschauer pausenlose 80 Minuten in Atem, packt, obwohl fast nichts passiert - es wird nur erzählt, das aber faszinierend."
Mannheimer Morgen, 16. Juni 2003

Fotos

Mit:
Katrin Brockmann,
Agnes Lampkin

Regie:
Susanna Enk

Bühne und Kostüme:
Birgit Stoessel

Dramaturgie:
Rosi Ulrich

WA-Premiere 30.11.2002